Die Bewältigung der Vergangenheit für eine bessere Zukunft
Missbrauch: Philippinische Kinder berichten
Stolberg. Rund 400000 Männer fahren jedes Jahr auf die Philippinen. Ein kleiner Teil von ihnen besucht die
Insel mit der Absicht, Sex mit Minderjährigen zu praktizieren.
Auf ihrer dreimonatigen Tour durch Deutschland und Osterreich versuchen neun philippinische Jungen und
Mädchen, auf das Problem der Kinderprostitution aufmerksam zu machen. Sie alle kommen von Preda - einem
Therapiezentrum für sexuell missbrauchte Kinder und Jugendliche in der Nähe von Manila. Im Jahre 1973 von
Pater Shay Cullen gegründet, erhalten Jungen und Mädchen neben einer Therapie auch eine Schul- oder
Berufsausbildung.
Der 23-jährige Lino arbeitet mit dem Initiator des Preda-Zentrums sehr eng zusammen. Auf ihrer bundesweiten
Aufklärungsreise legten er und seine philippinischen Freunde - von denen einige direkt von Kinderprostitution
und Sextourismus betroffen waren - gestern einen Zwischenstopp im Goethe-Gymnasium ein.
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Lernten sich im Spiel gegenseitig zu vertrauen: Die Schüler des Goethe-Gymnasiums und philippinische Jugendliche. Foto: Aachener Zeitung.
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Das Beschriebene übersteigt das Vorstellungsvermögen
Behütet aufgewachsen, waren viele der Stolberger Schüler anfangs noch ein wenig vorsichtig. "Die Probleme,
mit denen die philippinischen Jugendlichen bereits als Kinder konfrontiert wurden, sind unseren Schülern fremd
und gehen oft über ihr Vorstellungsvermögen hinaus", erzählte Margareta Schäpers. "Was sollen wir den
Jugendlichen sagen, wie auf sie zu gehen", wurde die Englischlehrerin im Vorfeld immer wieder von ihren
Schülern gefragt. Die Lösung stellte sich letztlich als einfach heraus: "Wir reden über das Land aus dem sie
kommen und wie sie dort leben", meinte Kathrin. Zudem hofft die 18-Jährige, eine gute Zuhörerin zu sein,
sollten die philippinischen Jungen und Mädchen über ihre ganz persönlichen Erfahrungen des Missbrauchs
sprechen wollen.
Doch spätestens als die Gruppe des Preda-Zentrums mit ihrem Theater-Workshop begann, verflog die
anfängliche Unsicherheit so mancher Goethe-Schüler. Spielerisch wurden sämtliche Jungen und Mädchen aus
der Reserve gelockt. Körpersprache und Geräusche dienten als auflockernde Verständigungsmittel, auch wenn
alle die englische Sprache beherrschten. Schneller als gedacht baute sich das Vertrauen untereinander auf.
Armut häufige Ursache für Kinderprostitution
Nach dem zweistündigen Workshop wurde eine kleine Szene von den philippinischen Jugendlichen dargestellt,
in der sie vom Leben auf der Straße, von ihren harten Arbeitsbedingungen, ihren Sorgen und Nöten, aber auch
von Solidarität und Kreativität sprechen. "Unsere Geschichte zu erzählen, ist Teil der Therapie", schilderte
Lino, "die Erfahrung sexuellen Missbrauchs wird uns unser ganzes Leben lang begleiten, doch genau aus
diesem Grund müssen wir uns diesem Problem stellen." Oft spielt Armut eine große Rolle, ist sie doch eine von
vielen Ursachen der Kinderprostitution.
Doch dient der Workshop nicht nur der Vergangenheitsbewältigung der philippinischen Jungen und Mädchen.
"Ziel ist es auch, die Schüler bei uns für dieses Thema zu sensibilisieren", erklärte Werner Meyer zum Farwig.
Der "missio"-Referent ist mit der Arbeit des Preda.Zentrums bestens vertraut, unterstützt :die "missio" doch das
philippinische Therapiezentrum in Manila.
Noch bis Mitte Oktober werden die Jugendlichen durch Deutschland und Osterreich reisen, um, wie Lino es
beschreibt, "unsere Nachricht zu verbreiten".
Michaela Schreiber, Aachener Zeitung, 15.09.2001