Rote Karte für nackte Teenie-Bäuche?
Stolberg. Was im Freibad normal ist, scheidet in den Schulen die Geister:
nackte Haut, gepiercte Bauchnäbel und Hosen, die ganz schön viel Hüfte
freilassen.
«Manche Schüler kommen statt mit Tops sogar mit Bikini-Oberteilen in den
Unterricht», sagt Dr. Friedhelm Mersch. «Ich bin nicht gegen bauchfreie Tops
oder modische Hosen, aber ich bin für angemessene Kleidung am richtigen
Ort», sagt der stellvertretende Leiter des Stolberger Goethe-Gymnasiums. Und
dies sei seit einigen Jahren nicht mehr gewährleistet. Auch wenn es nur eine
Handvoll Schüler sei, die keine Grenzen kenne, könne das Problem nicht unter
den Tisch gekehrt werden.
Verletzte Schamgefühle
Jeder wie es ihm gefällt? Damit soll an seiner Schule künftig Schluss sein,
wenn es nach dem Willen der Lehrerkonferenz geht. «Wir wollen die Schüler
nicht in ihrer persönlichen Freiheit beschränken, aber diese Freiheit hat
genau dort ihre Grenzen, wo sie die Schamgefühle der Mitschüler und Lehrer
verletzt», sagt Mersch.
Und spricht aus, worüber am kommenden Dienstag die Schulkonferenz des
Gymnasiums beraten wird. Schülersprecher, Elternvertreter und Lehrer sollen
entscheiden, ob «angemessene Kleidung» durch die Schulordnung vorgeschrieben
werden soll. Der genaue Wortlaut des entsprechenden Antrags der
Lehrerkonferenz liegt laut Informationen unserer Zeitung noch nicht vor.
Stattdessen brodelt unter den Schülern die Gerüchteküche: Was passiert, wenn
die Kleidung als nicht angemessen eingestuft wird. Klassenbucheintrag,
T-Shirt überziehen oder sogar nach Hause gehen?
«Ganz so schlimm wird es nicht kommen», glaubt Schülersprecher Erik
Bachmann. «Unsere Schulleitung hat mir erklärt, dass es in dem Antrag nicht
darum geht, ,bauchfrei' grundsätzlich zu verbieten. Die Lehrer wollen nur
vernünftige Grenzen setzen.» Er selbst fühle sich nicht durch zu viel nackte
Haut gestört: «Von mir aus soll jeder tragen, was er will.»
Schulleiterin Stefanie Luczak argumentiert weniger aus ästhetischen
Gesichtspunkten: «In einer Schule ist zweckmäßige Kleidung zu tragen. Und
allzu viel Freizügigkeit stört die Konzentration der Schüler.»
Klare Regeln gefordert
Trotzdem gehe es hier um ungelegte Eier, denn wie der Antrag konkret
formuliert und ob er überhaupt beschlossen werde, sei vollkommen offen. Und
auch ihr Kollege Mersch setzt auf Demokratie: «Hier müssen Eltern, Lehrer
und Schüler gemeinsam entscheiden.» Seine persönliche Meinung hingegen steht
fest: «Wo pädagogische Mittel und gut gemeinte Hinweise nicht mehr greifen,
muss es klare Regeln geben, damit das Zusammenleben an der Schule
funktioniert.» Rechtlich sei eine solche Änderung der Schulordnung durchaus
möglich.
Keine Stellungnahme wollte die Schulpflegschaftsvorsitzende Heike
Ridder-Groten abgeben. Solange der Antrag nicht vorliege und die
Schulpflegschaftsitzung sich damit nicht befasst habe, wolle sie keine
Pferde scheu machen.
Klein sieht keinen Handlungsbedarf
Keinen Handlungsbedarf in Sachen «bauchfrei» sieht hingegen Burkhard Klein
vom Stolberger Ritzefeld-Gymnasium: «Ich weise meine Schülerinnen allenfalls
in der Übergangszeit darauf hin, dass zu viel nackte Haut unter Umständen
den Nieren schaden könnte. Aber ich schreibe niemanden vor, wie er oder sie
gekleidet sein soll.»
Um in diesem Punkt fair zu sein, müsse man - wenn überhaupt - über
Schuluniformen nachdenken. Aber an seiner Schule sei dies bisher kein Thema.
Lediglich Nietenarmbänder dulde er nicht, weil sie zu Verletzungen führen
könnten. Bei nackten Bäuchen sei dies eher unwahrscheinlich.
Aachener Zeitung Online, 25.05.2004