«Schul-Saurier» sterben bald aus
Stolberg. Dreizehn Jahre drücken deutsche Pennäler bislang die Schulbank, um
ihre allgemeine Hochschulreife zu erwerben. Im Vergleich mit den
europäischen Nachbarn dauert dies viel zu lange.
in anderen Ländern haben Schüler ihr Abitur im Schnitt nach zwölf Jahren in
der Tasche. Auch nordrhein-westfälische Jugendliche sollen künftig schneller
in die Berufswelt starten können. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat
deshalb kürzlich der Landtag in Düsseldorf verabschiedet.
So wird jeder, der im Schuljahr 2005/2006 die fünfte Klasse eines Gymnasiums
besucht, sein Abitur bereits nach zwölf Jahren absolvieren.Was bedeutet dies
für den künftigen Schulalltag an Stolberger Gymnasien? Wird der
Bildungsstandard aufgrund einer absehbaren Konzentration des Lernstoffs
womöglich sinken? Diese Fragen drängen, denn schon ab der kommenden Woche
können Eltern ihre Sprösslinge sowohl am Goethe- wie auch am
Ritzefeld-Gymnasium anmelden.
Die beiden Schulleiter sehen der Umstellung derzeit mit gemischten Gefühlen
entgegen. «Mit vorsichtigem Optimismus» beurteilt Burkhart Klein,
Schulleiter des Ritzefeld-Gymnasiums, die Verkürzung der Schulzeit.
Grundsätzlich sei das Abitur nach zwölf Jahren zu begrüßen, der Teufel
stecke allerdings in den vielen Details, die oftmals noch nicht geregelt
seien. Fest stehe derzeit vor allem eines: «Auf die Schüler, vor allem aber
die Lehrer, kommt mehr Arbeit zu.»
Samstags zur Schule?
Schon ab der siebten Klasse müsse der Unterricht womöglich in den Nachmittag
ausgedehnt werden. 34 bis 36 Wochenstunden könnten in der Mittelstufe
demnächst an der Tagesordnung sein - bislang sind es im Schnitt 30 Stunden.
Betroffen sind wohlgemerkt nur jene Schüler, die im kommenden Schuljahr in
die fünfte Klasse wechseln. «Wir können zurzeit noch keine genauen Aussagen
treffen, da es bislang an eindeutigen Ausführungsbestimmungen mangelt», sagt
Klein. Inwiefern der Nachmittagsunterricht neuen Betreuungsbedarf erzeuge,
sei noch nicht absehbar.
Nur «sehr schwer vorstellbar» sei indes die Wiedereinführung des
Samstags-Unterrichts: «Angesichts des Freizeitverhaltens von Schülern wie
Eltern wird dies kaum zu vermitteln sein.» Das Ritzefeld-Gymnasium werde
alle Entscheidungen nur im Gespräch mit den Betroffenen treffen. «In unserer
Schule muss niemand Angst haben», beruhigt Klein.
Der Einführung einer zweiten Fremdsprache in der sechsten Klasse (bislang
siebte Klasse) sehe die Schule ebenfalls gelassen entgegen. Bereits seit
drei Jahren lernten die Jugendlichen am Ritzefeld-Gymnasium eine zweite
Fremdsprache im Rahmen verpflichtender Arbeitsgemeinschaften. Klein: «Wir
haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht und rechnen deshalb nicht mit
Problemen.»
Positiv bewertet auch Stefanie Luzcak, Schulleiterin des Goethe-Gymnasiums,
das Abi nach zwölf Jahren: «Wir gleichen mit unseren 13 Schuljahren doch ein
wenig den Dinosauriern.» Die Verkürzung sei «ein wichtiger Schritt», der
mehr Flexibilität bringe. Luczak: «Außerdem haben die Schüler noch viele
Kapazitäten frei, die sie jetzt unter anderem zum Jobben nutzen.» In der auf
zwei Jahre verkürzten Oberstufe - es entfällt die Orientierungsphase -
müssten sich die Jugendlichen künftig allerdings voll auf die Schule
konzentrieren.
Schwierigkeiten könne dann allerdings die Organisation von
Auslandsaufenthalten bereiten - bislang nutzen Schüler dazu in der Regel die
11. Jahrgangsstufe. Die Zahl der Betroffenen ist am Goethe-Gymnasium
allerdings überschaubar: Von 110 Schülern der elften Jahrgangsstufe sind
derzeit nur acht im Ausland.
«Momentan ist ohnehin alles noch graue Theorie», beschwichtigt Luczak. Erst
auf der großen Schulkonferenz im Mai sei mit konkreten Beschlüssen zu
rechnen. Die Schulpflegschaft solle vor den Osterferien über die Grundzüge
der Reform unterrichtet werden. Bei der Anmeldung am Gymnasium erfolgten
zudem individuelle Beratungsgespräche. Das Profil des Goethe-Gymnasiums, so
versichert die Schulleiterin, solle «auf jeden Fall erhalten bleiben».
Probleme für Realschüler
Dieses Ziel verfolgt auch Burkhart Klein am Ritzefeld-Gymnasium. Große
Schwierigkeiten sieht der Pädagoge hingegen auf Realschüler zukommen. Bleibe
es bei den aktuellen Verordnungs-Entwürfen, so werde der Übergang von der
Realschule in das Gymnasium deutlich erschwert. Zunächst entfalle die
Möglichkeit, eine zweite Fremdsprache noch in der Oberstufe zu erlernen.
Daneben müssten die Leistungen auf dem Abschlusszeugnis in Deutsch, Mathe,
Englisch sowie zwei weiteren Fächern mindestens «gut» sein. «Die Latte wird
sehr hoch gehängt», fürchtet Klein.
Aachener Zeitung Online, 16.02.2005