Religionslehrer des Goethe-Gymnasiums erhält als einziger Stolberger die Missio canonica
Christian Cramer: "Religion und Philosophie betrachte ich als eine Ergänzung"
Stolberg. Lehrer im Fach katholische Religion sind immer mehr Mangelware an Schulen in NRW. Auch im Kreis Aachen werden
die Vermittler des katholischen Glaubens händeringend gesucht. Im Rahmen einer Eucharistiefeier bekamen jetzt 58 Religionslehrer
aus dem Kreis Aachen vom Bischöflichen Generalvikariat Aachen die kirchliche Unterrichtserlaubnis (Missio canonica) verliehen.
Darunter auch ein Stolberger: Diplom-Theologe Christian Cramer, der seit Februar diesen Jahres am Goethe-Gymnasium unterrichtet.
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Nach der Ordenslaufbahn in den Schuldienst: Diplom-Theologe Christian Cramer
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Für Christian Cramer ist der Beruf des Lehrers bereits der zweite Berufseinstieg. Nach dem Studium der Theologie an der Universität
Würzburg schlug der 36jährige, der aus Essen stammt, zunächst die Priesterlaufbahn beim Dominikanerorden in Worms ein - unter anderem
arbeitete Cramer in dieser Zeit in der Krankenhausseelsorge für das Erzbistum Köln und in einer Kindertagesstätte in Hamburg. Nach
Ablauf der dreijährigen Profess erneuerte Christian Cramer sein Ordensgelübde aus persönlichen Gründen nicht mehr und entschied sich
für den Beruf des Lehrers - durch die jahrelange, vielfältige Mitwirkung im Bereich der kirchlichen Jugendarbeit kein Neuland für ihn.
Nach dem Referendariat am Beethoven-Gymnasium in Bonn lehrt Cramer seit dem 1. Februar die Fächer katholische Religion und Philosophie am
Goethe-Gymnasium. "Der Einstieg in den Schulalltag ist mir auf Grund meiner früheren Jugendarbeit leicht gefallen, und die Arbeit mit
Kindern macht mir einfach Spaß", beschreibt Cramer seinen Wechsel vom Ordens- zum Schulalltag, und fügt hinzu: "Was die Glaubensvermittlung
angeht, erreicht man an der Schule mehr als in der gemeindlichen Jugendarbeit." Die Herausforderung am schulischen Religionsunterricht
sieht er in der intellektuellen Ebene der Beschäftigung mit Religion - und da müssen Schüler und Lehrer auch nicht immer einer Meinung
sein: "Ich fordere meine Schüler auf, sich kritisch mit Religion im Religionsunterricht auseinanderzusetzen", legt Cramer das Prinzip
seiner Arbeit dar. Die Entscheidungsfreiheit über die Wahl oder Nicht-Wahl des Faches Religion im Alter von 14 Jahren sieht Cramer als
"Herausforderung für die Schüler und gleichzeitig als Schritt zu Mündigkeit und Selbstbestätigung".
Das Religion-Ersatzfach Philosophie steht auch auf seinem Lehrplan. Im Goethe-Gymnasium ist Christian Cramer der einzige Lehrer in
diesem Bereich. Philosophie und Religion sind für den Bergsteiger und Liebhaber klassischer Musik kein Gegensatz: "Religion und
Philosophie betrachte ich als eine Ergänzung". Philosophie decke seiner Meinung nach einen anderen, gesellschaftlichen, philosophischen
Teilbereich ab. In der Jahrgangsstufe neun und zehn unterrichtet er praktische Philosophie, ein Pilotprojekt der NRW-Regierung. Ein
erstes Resümee nach sechs Monaten Lehrtätigkeit kann der 36jährige, der auch in der Stolberger Kirchengemeinde als Lektor und Gemeindehelfer
aktiv ist, bereits ziehen: "Die Kluft zwischen den jungen Leuten mit gemeindlichem Hintergrund und denen ohne wird immer größer." Diese
Kluft zu schließen, betrachtet Cramer als eine weitere Herausforderung in seinem Beruf.
Aachener Zeitung, 20.09.2002