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Inhaltsverzeichnis H2002
Quelle: Pressestelle der RWTH Aachen

Von der Pflicht zur Kür

Sein Name ist ein Begriff in der Welt der Produktionstechnik, seine zahlreichen Funktionen und Tätigkeitsfelder machen ihn zu einer der facettenreichsten Persönlichkeiten der RWTH Aachen. Die Rede ist von Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Dipl.-Wirt. Ing. Prof. h.c. Walter Eversheim, der zum Ende des Sommersemesters 2002 seine Hochschullaufbahn offiziell beendet.

Prof. Walter Eversheim wurde am 10. August 1937 in Aachen geboren und wuchs in Stolberg-Büsbach auf. Seine Berufswünsche galten ursprünglich nicht der Hochschule, sondern eher einer Karriere in der Industrie. Sein Maschinenbau-Studium an der RWTH Aachen ergänzte er durch ein wirtschaftswissenschaftliches Zusatzstudium. Dem Studium folgten die Assistenten-Jahre am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen und die Promotion (1965) bei seinem "Ziehvater" Prof. Herwart Opitz, der ihn stark prägte. Nach der Hochschulzeit begann er eine schnelle Industrie-Karriere bei den Unternehmen Philips und Siemens. 1973 wurde er im Alter von 35 Jahren auf den Lehrstuhl für Produktionssystematik des Werkzeugmaschinenlabors berufen und trat dort die Nachfolge seines früheren Lehrers, Prof. Herwart Opitz, an. Prof. Eversheim leitete in den Folgejahren mehrfach das Werkzeugmaschinenlabor, eines der weltweit führenden Forschungsinstitute in der Produktionstechnik, dem er im Wechsel mit seinen Kollegen in den Jahren 1977-1979, 1986-1988 und 1995-1997 als Geschäftsführender Direktor vorstand.

Als Pionier des Simultaneous Engineering weitete Prof. Eversheim die Forschungsarbeiten des Lehrstuhls insbesondere auf den Bereich der Produkt- und Prozessentwicklung aus und wirkte damit als Wegbereiter eines neuen kooperativen Denkens. Er stellte die Weichen für die Einführung der Gruppentechnologie in der Industrie und erreichte hier deutliche Rationalisierungseffekte. Der Name Eversheim ist untrennbar verbunden mit Begriffen wie Prozessorganisation, Prozesskostenrechnung und Variantenmanagement. Seine Arbeiten zu Virtual Engineering und zur Digital Factory setzten in jüngerer Zeit immer wieder neue Impulse in der Fabrikplanung.

Der Aktionsradius des agilen Hochschullehrers weitete sich schnell aus: 1980 wurde er Institutsdirektor des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie, 1989 berief ihn die Universität St. Gallen (Schweiz) zum ständigen Gastprofessor für Technologiemanagement und zum Mitglied der Institutsleitung des dortigen Instituts für Technologiemanagement (ITM), seit 1990 ist Eversheim Direktor des Forschungsinstituts für Rationalisierung (FIR) in Aachen. Und schließlich kümmert er sich gelegentlich auch noch um seine eigene Firma, die im Bereich der Unternehmensberatung angesiedelt ist und bereits 1978 gegründet wurde. Die GEPRO mbH ist nur eine von vielen Firmengründungen, die von Walter Eversheim ausgingen. Sein Sachverstand ist in vielen Aufsichts- und Beiräten der Industrie gefragt.

Über sein wahrlich breitgefächertes Arbeitsfeld hinaus übernahm Prof. Eversheim Verantwortung in der akademischen Selbstverwaltung der Hochschule. Von 1981 bis 1983 hatte er das Amt eines Prorektors der RWTH Aachen inne; seit 1983 ist er Senatsbeauftragter für Technologietransfer der RWTH Aachen. Zudem zählt Eversheim zu den Initiatoren der Aachener Gesellschaft für Innovation und Technologietransfer (AGIT). Die Idee für das Aachener Demonstrationszentrum für integrierte Produktionstechnik (ADITEC), einer vorbildlichen Einrichtung für die berufliche Weiterbildung, kam ebenfalls von ihm.

Prof. Eversheim hat die internationale Lehre und Forschung durch gemeinsame Projekte mit Partnern aus Europa, den USA, Asien und Lateinamerika mit geprägt. Er ist seit 1978 Mitglied der renommierten internationalen Forschungsvereinigung CIRP (International Institution for Production Engineering Research). In dieser Organisation war er über mehrere Jahre Präsident des Scientific Committee "Optimisation".

Die Wirtschaftsregion Aachen kennt Eversheim als einen unermüdlichen Förderer und stillen Drahtzieher im Hintergrund. So ist es unter anderem im wesentlichen ihm und seinen weltweiten Beziehungen zu verdanken, daß die Ford Motor Company (USA) gerade in Aachen ihr Forschungszentrum für Europa aufgebaut hat.

Die internationale Wertschätzung und Bedeutung des Aachener Wissenschaftlers findet ihren Niederschlag in zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen. Bereits 1988 erhielt er den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen. Die älteste chinesische Universität, die Tianjin-Universität, ehrte ihn 1992 mit dem Titel eines Honorarprofessors, die Universität Trondheim/Norwegen verlieh ihm im gleichen Jahr die Ehrendoktorwürde. 1997 wurde Professor Eversheim vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) mit der Herwart-Opitz-Ehrenmedaille für seine außerordentlichen Verdienste um die Produktionstechnik ausgezeichnet. Im Jahr 2000 würdigte die Universität St. Gallen (Schweiz) seine Verdienste um die Verbindung von Technologiemanagement und Betriebswissenschaft mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde (Dr. oec. h.c.). Die Huazhong-Universität, China, verlieh ihm 2000 die Ehrenprofessur, um sein Engagement in der Ausbildung chinesischer Führungskräfte zu würdigen und zu festigen.

1997 folgte Prof. Eversheim Konsul Hugo Cadenbach als Sprecher des Karlspreis-Direktoriums. Auch in diesem Gremium setzte er in der für ihn typischen Art deutliche Akzente.

Für Professor Eversheim ist sein 65. Geburtstag und die damit verbundene Emeritierung sicherlich eine Zäsur, aber auch eine Gelegenheit zur Zwischenbilanz, die allerdings mit ungewöhnlichen Zahlen aufwartet: Rund 250 Wissenschaftler führte er bislang zur Promotion, mehr als 800 Fachveröffentlichungen weisen Professor Eversheim als Autor aus. Darüber hinaus verantwortet er mehrere Fachbücher als Herausgeber.

Viel Zeit für Freizeitbeschäftigung oder Hobbies blieb da natürlich kaum. Walter Eversheim hofft zwar, dass das in Zukunft anders wird. Er würde gerne wieder malen, wozu er in seinem knapp bemessenen Urlaub nur selten Zeit hatte. Andere Hobbies, die er gerne intensivieren möchte, sind Tennis und Golf spielen. Andererseits will er auch in Zukunft seinen Mitarbeitern und seinem Nachfolger im Werkzeugmaschinenlabor mit Rat und Tat zur Seite stehen, wann immer es gewünscht wird.

Wo andere mit dem Erreichen der Altersgrenze "aussteigen" und ihre wohlverdienten Ruhestand genießen, setzt Walter Eversheim einen neuen Anfang: Der ambitionierte Wissenschaftler lehrt ab dem Wintersemester als Gastprofessor an der Universität in Stellenbosch/Südafrika. "Ich möchte noch etwas von meiner reichen Erfahrung weitergeben", so Eversheim.

Walter Eversheim hat noch viele Ideen, ist voller Pläne, er sprüht gleichsam vor Tatendrang: Ruhestand ist für ihn vorläufig undenkbar. Er wechselt aus der Pflicht in die Kür.

Pressestelle der RWTH Aachen, 23.07.2002



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