Verein der Ehemaligen und
Freunde des Goethe-Gymnasiums


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Inhaltsverzeichnis H2000
Quelle: Goethes Faust

Der folgende Artikel wird so oder ähnlich in der nächsten Ausgabe der Schülerzeitung "Goethes Faust" erscheinen. Der Titel mag zunächst irreführend sein, aber da ein Artikel eines Abiturienten - und damit bald ehemaligen Schülers - des Goethe-Gymnasiums mit einer solchen Thematik (siehe Inhalt) auch interessant für den Verein und das Rundschreiben ist, drucken auch wir ihn an dieser Stelle ungekürzt ab. Sollte aus dem Kreis der Vereinsmitglieder jemand Widerspruch oder Zustimmung äußern wollen, so ist dies willkommen.

Schule ist scheiße! Im Ernst!

Nach zwölfeinhalb Schuljahren: Vorläufiger Judgement Day

Wenn man einen halbwegs gebildeten Menschen trifft, wird der ohne Zweifel zugeben, daß die Schule die Hauptbasis unserer ganzen Gesellschaft ist, man kann sogar so weit gehen, daß das Schulsystem ein Mikroabbild unserer Gesellschaft darstellt. Ist das Schulsystem marode, dann kann es mit der Gesellschaft auch nicht weit her sein. Jeden Aspekt kann man auf die Schule übertragen: Liberalität, Sozialeinstellung, Reichtum und Werte einer Gesellschaft spiegeln sich im Verhalten der Schüler und Lehrer direkt wieder.

Und jetzt betrachten wir einmal unser Schulsystem: Es krankt an allen Ecken und Enden und erfüllt in den wenigsten Fällen das, was es eigentlich tun sollte, nämlich dem Schüler die an seine Leistung angepaßte Bildung zu vermitteln. Auch an unserem schönen Goethe-Gymnasium ist es so. Eigentlich ist es so, daß es mittlerweile nur noch eine Art von Schüler gibt: der Schüler, der nicht auf diese Schule gehört!

Natürlich kann man diese Art noch in zwei Unterkategorien teilen. Die erste faßt die Schüler, die leistungsbedingt einfach nicht die Fähigkeit haben, ein Gymnasium zu besuchen. Die zweite wird von den Schülern gefüllt, die unterfordert an der Schule sind.

Und es gibt eine einfache Methode, dieses Problem zu lösen: Das Niveau muß stark angehoben werden und die Noteninflation gestoppt werden! Was nützt es der Gesellschaft, wenn 70% der Bevölkerung mit Abitur rumläuft, aber ein Abiturient, den man sich aus der großen Menge herausgreift, kann dir weder den Unterschied von Proton und Elektron erklären, noch kann er sagen, ob der Pottwal nun Zähne oder Barten hat oder warum der Kommunismus die Demokratie nicht leiden kann.

Und ein Schüler, der diese Fragen nicht nach dreizehn Jahren Schule beantworten kann - wenigstens in den Grundzügen - der verdient sein Abitur nicht, und es hat der Gesellschaft keinen Deut genutzt, ihn noch drei Jahre länger auf eine Schule zu schicken. Und hier liegt der Fehler zu einem großen Teil bei den Eltern, die entweder nicht einsehen, daß ihr Kind einfach zu schlecht für das Gymnasium ist oder es einfach überschätzen. Wäre es für das Kind nicht besser, wenn es nun mal leider nur für die Realschule geeignet ist, direkt auf diese zu gehen, später einen guten anerkannten Realschulabschluß zu machen, der einem die gleichen Chancen eröffnet, wie unser verwässertes heutiges Abitur, mit Ausnahme des Studiums?

Ein paar Beispiele aus dem Schulalltag werden meine Thesen unterstreichen: Erste mündliche Note mangelhaft, zweite auch, eine Arbeit fünf, eine ausreichend minus. Welche Endnote müßte wohl rauskommen? Das Ergebnis dürfte selbst ein Grundschulkind ausrechnen können: Es beträgt ganz einfach mangelhaft. Punkt! Aus! Doch halt! Wie oft ist es am Ende des Jahres nicht uns allen passiert, daß irgendeiner (oder man selbst?) so eine oder eine ähnliche Konstellation hatte und er trotzdem noch mit einer vier auf dem Zeugnis wegkam? Bestimmt jedem von uns, ohne Ausnahme! Oder daß jemand ein ganzes Halbjahr nichts sagt und trotzdem noch mit einer Vier davonkommt! Und es ist keine christliche Nächstenliebe der Lehrer, beide Augen zuzudrücken, denn die guten Schüler werden regelrecht um ihre Leistung betrogen, was zur Frustration führt, und den schlechten Schülern wird eine Illusion vorgespielt, die für den Moment vielleicht gut ist, aber irgendwann kommt die Realität, und dann schmerzt sie um so härter.

Warum muß ein Schüler der Oberstufe erst in eine Universitäts-
vorlesung gehen, um anspruchsvollen Unterricht zu erhalten?


Alle Schüler, die ich kenne und die in irgendeiner Weise eine intellektuelle Begabung haben, haben sich diese außerhalb der Schule angeeignet und gepflegt. In der Schule selbst wird diese dann nicht gefördert. Jetzt mag man sagen, daß es ja sein kann, daß jemand eine einseitige Begabung hat, dafür auf allen anderen Gebieten versagt. Aber dies ist eine pure Verkennung der wirklichen Tatsachen! Jeder Mensch, der mit Intelligenz gesegnet ist, besitzt die Fähigkeit, auf allen - und ich meine allen - Gebieten eine überdurchschnittliche Leistung abzuliefern. Daß man Vorlieben besitzt, ist abzusehen, nur zum Fachidioten ist keiner geboren. Man muß den Schülern den Lernstoff nur in einer Weise präsentieren, die sie ausfüllt, ergreift und zum eigenständigen, kreativen Arbeiten veranlaßt. Wunder kann man nicht erwarten. Man kann einer Klasse ohne Vorkenntnisse und Fähigkeiten nicht Iphigenie oder Kafka vorsetzen und verlangen, daß sie das direkt "`geil"' finden.

Per aspera ad astra!

Warum lernen sie 152 Pokemon auswendig, aber nicht zwei Lateinvokabeln? Richtig, weil es ihnen keinen Spaß macht, und es wird auch nicht Spaß machen, never! Doch wenn du erstmal Latein verstehst (Können ist eine Sache, verstehen ist viel schwieriger!), dann eröffnet sich dir ein riesiges Feld, an dem zu arbeiten auch Spaß macht. So ist es mit allen Fächern: Verstehe es erstmal, Gedichte zu interpretieren, und du erkennst dann auch, warum es manche Leute wirklich wunderschön finden, solche zu lesen!

Ohne Disziplin geht es nicht, auch wenn sich das manche Pädagogen denken. Also muß die Konsequenz für die Lehrer heißen: Macht einen härteren Unterricht, der aber auch fair sein muß. Das hört sich vielleicht jetzt staubtrocken an, ist es aber nicht, denn es gilt: Je disziplinierter und lernwilliger die Klasse, umso lockerer und kreativer kann der Lehrer den Unterricht gestalten.

Lehrer, holt euch den Respekt zurück, den ihr verdient habt!

Alles in allem betrachtet, sind Lehrer heutzutage wirklich arme Schweine. Tag für Tag prügeln sie sich mit einem Mob herum, der unerbittlicher, hinterhältiger und erbarmungsloser ist, als eine Gruppe Mongolen, die vier Monate ohne Frauen durch die Wüste Gobi geritten ist und die schließlich an einer Stadt vorbeikommt, an deren Tor ein Transparent hängt, auf dem geschrieben steht: "`Samarkand: Wir sind berühmt für kühles Bier und schöne Mädchen und unsere Soldaten sind in Urlaub. Ihr kriegt nichts ab! Bäh!"'

Doch warum sind die Schüler so? Weil sie wissen, daß sie es sich leisten können. Den Lehrern fehlt es an jeglichen Möglichkeiten, Schüler in verdienter Art und Weise zu bestrafen. Ich rede hier nicht von einer Wiedereinführung der Prügelstrafe, Gott bewahre! Auch die Androhung von Klassenbucheinträgen schreckt höchstens die ganz Kleinen noch ab, da sie wissen, daß Mami und Papi sie oft wieder raushauen. Elternsprechtage werden oft von den Eltern dazu benutzt den Lehrer zu verändern, der dem Kind dann bessere Noten gibt, als daß die Eltern ihr Kind verändern, das dann bessere Noten schreibt.

Ein Einwand gegen die Niveau-Anhebung könnte sein, daß sich nur gebildete Eltern - und das sind in unserer Gesellschaft oft die Bessergestellten - leisten können, sich intensiver mit ihren Kindern zu beschäftigen, ihnen Nachhilfe zu finanzieren usw.. Wenn dies wahr wäre, dann würde es dazu kommen, daß die Intelligenten noch intelligenter würden und damit gleichzeitig die Reichen reicher. Doch dies ist keineswegs der Fall, wenn eine vernünftige Frühförderung in den Grundschulen dafür sorgt, daß klügere Kinder auf eine gymnasiale Laufbahn vorbereitet werden. Diese Förderung darf dann auch nicht mit der fünften Klasse aussetzen, sondern sollte ruhig die ganze Schullaufbahn laufen. Aber auch hier gilt: Das System hält sich nur so lange, wie kein unnötiger Ballast mitgeschleppt wird (Hart, aber wahr!).

Natürlich müssen Einzelschicksale berücksichtigt werden, und nur weil einer mal zwei Arbeiten schlecht schreibt, weil er persönliche Probleme hat, sollte er nicht fliegen. Ich glaube, Lehrer sollten dazu in der Lage sein, fair und gerecht Menschen einzuschätzen.

Diese Veränderung muß und kann nur von oben kommen, nämlich von der Politik, und sie wird Geld kosten. Doch wenn ich sehe, daß 100 Milliarden UMTS-Mark zum Schuldenabbau benutzt werden, frage ich mich, ob diese nicht besser in die Bildung investiert worden wären, denn das Geld, was Deutschland durch eine gute Bildung der Bevölkerung mittelfristig gesehen erhalten wird, ist auf jeden Fall mehr als die Zinsen, die wir jetzt sparen.

Redaktion "Goethes Faust"
Manuel Morschel (Jgst. 13)



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